Ausbildung in Gestalttherapie
„Hier sollen sich Leute heranbilden, die mehr sind als nur Psychotechniker, sondern die die unsinnige Trennung zwischen dem Philosophen, dem Therapeuten und dem Pädagogen in ihrem Leben und in ihrer Arbeit überwinden. Gestalt ist keine Technik, kein therapeutisches Schnellverfahren, sondern ein ernster Weg, sich selbst zu finden und zu wachsen. Wachstum aber ist ein Prozess, der Zeit braucht. Gestalttherapie erfordert eine Haltung, die nicht in zwei Monaten erworben werden kann, sondern durch ein langes und ernstes Training, in dessen Zentrum die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit steht.“
(Fritz Perls)
„Die Gestalttherapie ist ein Verfahren, das aus einem wachstumsfördernden, mehrschichtigen, therapeutischen Beziehungsverständnis sowie aus seinem humanistischen Menschenbild heraus mit einer phänomenologischen Zugangsweise, (d. h. heutzutage prozess-erfahrungsmäßig), ein erlebnis-, ressourcen- sowie ein lösungsorientiertes Bewusstwerdungsangebot macht, das hilft, in Achtsamkeit die innere und äußere Situation klarer zu erkennen.
Dies ermöglicht sowohl angemessen notwendige Grenzen zu ziehen, wie auch und vor allem, gezielt zu unbewusst Ausgegrenztem über Kontakt, Begegnung, Dialoge und integrierende (Re-)Identifikation Verständnisbrücken herzustellen. Dabei werden die Teilaspekte konfliktlösend und stimmiger zu einem neuen Ganzen geordnet, Überkommenes wird überprüft, gegebenenfalls verabschiedet und die persönliche Freiheit und Verantwortung für eine wertbezogene Wahlmöglichkeit erhöht."(Lotte Hartmann-Kottek)
„Vor dem Ende sprach Rabbi Sussja: In der kommenden Welt wird man mich nicht fragen: ‚Warum bist du nicht Mose gewesen?‘ Man wird mich fragen: ‚Warum bist du nicht Sussja gewesen?‘“
(Martin Buber)
„Das Wichtigste, was ich (oder jede andere Therapeut) einem Patienten geben kann, ist eine authentische, heilsame Beziehung, die es ihm ermöglicht zu gesunden."
(Irvin D. Yalom)
Das Gestalt-Zentrum Tübingen bietet in Zusammenarbeit mit fortbildung1 Stuttgart eine dreijährige Ausbildung in Gestalttherapie an.
Zielgruppe sind psychotherapeutisch, beratend oder pädagogisch Tätige, die in ihrem
spezifischen Berufsfeld gestalttherapeutisch arbeiten und hierfür einen eigenen
persönlichen Stil ausbilden wollen.
Voraussetzung für die Teilnahme an dieser Ausbildung ist die Teilnahme an einem
Einführungswochenende.
Als freies und unabhängiges Ausbildungsinstitut sind wir in der glücklichen Lage, über die Bedingungen, Formen und Inhalte unserer Arbeit frei entscheiden zu können. So können wir unsere Ausbildung nach unseren ganz eigenen Vorstellungen gestalten und sie ohne die Hemmnisse externer Vorgaben und bürokratischer Hürden unmittelbar und kontinuierlich weiterentwickeln.
Unsere Ausbildung ist teilnehmerzentriert. Wir orientieren uns nicht an formalen Richtlinien oder Vorgaben von Berufsverbänden, sondern an den individuellen Lern- und Entwicklungsbedürfnissen unserer Teilnehmer, die wir in den Mittelpunkt stellen und unterstützen.
Unsere kleinen Ausbildungsgruppen (6-12 Teilnehmer) ermöglichen eine persönliche Lernatmosphäre. Das Fehlen starrer institutioneller Strukturen erlaubt uns, gezielt und flexibel auf den Lern- und Entwicklungsprozess von Einzelnen wie auch der Gruppe als Ganzes einzugehen und diesen maximal zu fördern.
Die Überschaubarkeit unseres Instituts, speziell die Tatsache, dass wir nur so viele Personen gleichzeitig ausbilden, wie wir selbst persönlich betreuen können, macht ein solches, an den Bedürfnissen der einzelnen Teilnehmer orientiertes Vorgehen möglich.
Unsere Ausbildung ist getragen von einer konsequenten dialogischen Grundhaltung. Ihre Basis ist eine persönliche (Ich-Du-) Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden auf Augenhöhe, in der Bewertungen und Beurteilungen keinen Platz haben. „Ich-Du-Beziehungen sind horizontal angelegt … und durch den Dialog und das Arbeiten als ebenbürtige Partner gekennzeichnet.“ (Gary Yontef).
Und persönlicher Kontakt ist nur da möglich, wo Menschen sich für einander erreichbar machen und wo die Formalisierung der Bedingungen, unter denen sie sich begegnen, minimal ist. Für einen erfolgreichen Lern- und Lehrprozess halten wir diese spezielle Art der Beziehung, wie sie von Martin Buber als dialogische oder Ich-Du-Beziehung beschrieben wird, für unabdingbar. In diesem Sinne betonte Laura Perls schon 1987: „Wir haben … immer darauf bestanden, eine gewisse Bürokratisierung zu vermeiden. Durch diese Entwicklung wird die Gestalttherapie weniger gestaltmäßig und mehr an den üblichen institutionellen Betrieb angeglichen … Manche Gestaltinstitute haben fast Collegebetrieb … Eine Organisation ist eine fixierte Gestalt. Bei soviel Betrieb ist der Dialog nicht mehr im Vordergrund.“
Grundlegend für gestalttherapeutisches Arbeiten ist die persönliche Kompetenz des
Therapeuten. Sie besteht in seiner Fähigkeit, in der Beziehung zum Klienten als
eigene Person ganz da zu sein, erreichbar zu sein, und sich entsprechend und verständlich
zum Ausdruck zu bringen, sowie dem Klienten in einer Ich-Du-Haltung möglichst frei von
Rollen als eine in seiner Individualität erkennbare Person gegenüberzutreten und
zu begegnen. Sie beinhaltet weiterhin die Fähigkeit, den Klienten in seiner Einzigartigkeit und Ganzheit
zu verstehen und zu bestätigen und das In-Beziehungsein mit ihm zu würdigen.
Dies erfordert ein hohes Maß an Bewusstheit und Präsenz und Kenntnis der eigenen Person sowie
an Kontakt- und Beziehungsfähigkeit. Diesbezügliche Einschränkungen und Blockierungen
werden hauptsächlich im Rahmen der Eigentherapie bearbeitet.
Die professionelle Kompetenz des Therapeuten liegt in der Fähigkeit und dem Wissen, wie und in welcher Form er seine persönliche Kompetenz für die therapeutische Situation zur Unterstützung des Klienten nutzen kann.
Inhaltliche Schwerpunkte der Ausbildung sind daher:
- Persönliche Präsenz (aktive Gegenwärtigkeit) und Kontaktfähigkeit des Therapeuten
- Beziehungsgestaltung (Dialogfähigkeit) in der Gestalttherapie
- Praktische Wahrnehmungs- und Handlungsfertigkeiten (Basic- and Advanced-Skills-Training)
- Erfahrungsbezogenes und theoretisches Verständnis grundlegender gestalttherapeutischer Konzepte (v. a. gestalttherapeutische Grundhaltungen, Verständnis des Veränderungsprozesses, Bedürfniskonzept, „Störungs-" Verständnis in der Gestalttherapie, Bewusstheit, Kontakt, Verantwortung)
- Spezielle Techniken und Interventionsmodi
Entsprechend dieser Auffassung von gestalttherapeutischer Kompetenz und vor dem Hintergrund der genannten Schwerpunktsetzung ergeben sich vier aufeinander bezogene Bereiche:
1. Selbsterfahrung
Die Teilnehmer lernen die gestalttherapeutische Arbeitsweise zunächst in intensiver
Selbsterfahrung über die Auseinandersetzung und Arbeit mit der eigenen Person im Rahmen der
Gruppe kennen.
Eine andere Form der Selbsterfahrung ist die Gestaltlehrtherapie. Sie wird als
Einzeltherapie bei einem anerkannten Lehrtherapeuten von den Teilnehmern
selbständig organisiert.
Dabei ist uns wichtig, dass diese Arbeit als Klient aus eigenem Interesse ausschließlich auf freiwilliger Basis
betrieben wird. Es verbietet sich für uns von daher, diesen Teil der Ausbildung in irgendeiner Weise, und sei es auch nur formal,
vorzuschreiben. Persönliche Veränderung, auch die von angehenden Therapeuten, kann nicht verordnet werden.
2. Theorie
Die Theoriearbeit in der Gruppe findet hauptsächlich als gemeinsame Reflexion der in der
Gruppe erlebten Prozesse statt. Sie wird anhand der Literatur im Selbststudium vor- und
nachbereitet.
Die so realisierte enge Verbindung von Theorie und Praxis vermittelt ein
ganzheitliches Verständnis von Gestalttherapie.
3. Training
Das praktische Einüben therapeutischer Fertigkeiten und Techniken geschieht
schwerpunktmäßig im 2. und 3. Ausbildungsjahr. Die Grundfertigkeiten (Basic Skills) werden
bereits im 1. Jahr vermittelt.
Die Arbeit der Teilnehmer miteinander in Triaden (als Klient,
Therapeut, Leiter) nimmt hier einen breiten Raum ein.
4. Supervision
Im 3. Ausbildungsjahr kommt vermehrt auch Supervisionsarbeit zur Geltung.
Im Vordergrund steht die Live-Supervision, bei der zwei Teilnehmer
miteinander als Klient und Therapeut unter direkter Supervision des
Leiters in der Gruppe arbeiten.
Hier wie auch schon im Trainingsteil sind therapeutische Effekte beim Klienten
willkommen. Im Mittelpunkt steht jedoch das Erleben und Verhalten des Therapeuten
sowie möglicherweise dessen eigene anschließende persönliche Arbeit als Klient.
Bei der berufsfeldspezifischen Praxis-Supervision wird die konkrete Arbeit der Teilnehmer
in ihren jeweiligen Praxisfeldern im Rahmen der Ausbildungsgruppe supervidiert.
Zusätzlich zu den Treffen der Ausbildungsgruppe organisieren sich die Teilnehmer selbständig in regionalen Peer-Gruppen, um sich gegenseitig mit Supervision und theoretischen Diskussionen zu unterstützen.
Die Ausbildung dauert 3 Jahre. Ein Ausbildungsjahr umfasst 230 Seminarstunden (à 45 Minuten) und besteht aus:
- 6 verlängerten Wochenenden von je 20 Stunden und
- 2 viertägigen auswärtigen Intensivseminaren von je 40 Stunden
- 5 regionalen Peergrouptreffen von je 6 Stunden
Eine verbindliche Anmeldung erfolgt immer für jeweils ein Ausbildungsjahr.
Der Abschluss der Ausbildung wird mit einem spezifizierten Zertifikat dokumentiert.
Eine befriedigende Teilnahme an dieser Ausbildung erfordert persönliches Engagement. Die Intensität und Vielfalt der in der Ausbildung ermöglichten Erfahrungen kann eingreifende Veränderungen im privaten, sozialen und beruflichen Leben der Teilnehmer in Gang setzen. Von daher ist sie nur für solche Menschen sinnvoll, die grundsätzlich hierzu auch bereit sind.
Empfohlene Literatur:
Doubrawa, Erhard & Staemmler, Frank-M. (Hg.) (2003). Heilende Beziehung - Dialogische Gestalttherapie. Wuppertal, Hammer
Hartmann-Kottek, Lotte (2012). Gestalttherapie. Berlin, Springer
Perls, Frederick S. (2002). Gestalt-Therapie in Aktion. Stuttgart, Klett-Cotta
Pohl, Winfried & Sämann, Gisela (2008). Effektive Kommunikation. Die Kunst der Beziehungsgestaltung im beruflichen Alltag. Bergisch Gladbach, Edition Humanistische Psychologie (EHP)
Staemmler, Frank-M. & Bock, Werner (1998). Ganzheitliche Veränderung in der Gestalttherapie. Wuppertal, Peter Hammer
Staemmler, Frank-M. (2016). Einige Gedanken zu dem Satz „Was ist, darf sein, und was sein darf, kann sich verändern“. Würzburg, Gestalt-Publikationen (Hier kostenfrei als
<PDF>
herunterzuladen)
Yontef, Gary M. (1999). Awareness, Dialog, Prozess. Wege zu einer relationalen Gestalttherapie. Bergisch-Gladbach, Edition Humanistische Psychologie (EHP)
Leitung |
Dipl.-Psych. Winfried Pohl Dipl.-Soz.päd. Petra Hering |
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Teilnehmer | 6-12 Personen | |
Ort | fortbildung1, Christian-Belser-Straße 79a, 70597 Stuttgart | |
Termine |
Beginn: 01.-03.11.2024
[Seminarzeiten: Fr. 18:15-21:00, Sa. 09:00-16:00 und So. 09:00-13:00 Uhr]
[Seminarzeiten Intensiv: Mi. 15:00 - So. 14:00 Uhr]
(Die kompletten Termine finden Sie unter Downloads)
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Kosten |
3650 € pro Ausbildungsjahr (Die Intensivseminare sind mit Zusatzkosten für Ü/VP verbunden) |
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Bewerbungs- und Anmeldeschluss ist der 23.10.2024 |